Distance Learning bleibt auch nach Corona. So lautet die Einschätzung von Thomas Strasser als Hochschulprofessor für technologieunterstütztes Lehren und Lernen & Fremdsprachendidaktik. Denn viele durchaus sehr hilfreiche Initiativen seitens diverser StakeholderInnen (vgl. eduthek, LehrerInnen-MOOC Virtuelle Pädagogische Hochschule, Fortbildungsangebote der Pädagogische Hochschulen) erklären unseren PädagogInnen mittlerweile „das Internet“ in all seinen unterschiedlichen Facetten und wie man es für unterschiedliche örtliche sowie zeitliche Szenarien didaktisieren kann. Was aber dabei oft ausgeklammert wird, ist die „Online-Sozialität“ bei der Unterrichtsplanung.

SchülerInnen fehlt soziale Komponente durch Lehrende im Online-Raum

Eine für den Lernerfolg sehr relevante Komponente, die sich auch semantisch diametral zum Begriff Distance Learning positioniert, wird oftmals außer Acht gelassen: die Nähe. Denn sei es die Nähe örtlicher, diskursiver oder zeitlicher Natur. Darum gibt es immer wieder Rückmeldungen der Lernenden, dass ihnen bei vielen Homeschooling-Szenarien die eigentliche Interaktion, Kommunikation oder Zusammenarbeit mit den Lehrenden fehlt (Schober et al., 2020). Ganz nach dem Motto: „Is there anybody out there?“

Kein Patentrezept der „Online-Sozialität“ für Unterrichtsplanung

Wissenschaftlich betrachtet und bereits schon vor Jahrzehnten im Kontext des Fernunterrichts konstatiert, ergeben sich soweit drei Dimensionen des Distance Learnings: Sensorische Modalität (welche Sinne werden angesprochen[1]), Produktivität (die erbrachten Leistungen beim Distance Learning) und die wohl wichtigste Komponente, die Sozialität. Dabei spielt u.a. die Art der Interaktion der TeilnehmerInnen am Fernunterricht eine Rolle. Es geht um (Kennen)Lernen in der Gruppe, das natürlich auch digital oder blended stattfinden kann. Denn Sozialität in digitalen Räumen will nämlich (nicht) gelernt sein. Nach Patentrezepten der „Online-Sozialität“ für die Unterrichtsplanung zu suchen mag demnach aussichtslos erscheinen, denn diese sind natürlich stark kontextabhängig. [1] Dieser Ansatz ist in der Wissenschaft nicht ganz unumstritten (siehe Kirschner, 2017).

5 Empfehlungen für Unterrichtsplanung bei Distance Learning

Dennoch bietet die Wissenschaft einiges an (indirekten) Handlungsempfehlungen für Lehrpersonen beim Distance Learning für „Online-Sozialität“ bei der Unterrichtsplanung.

Immediacy of Feedback

Digitale Lernumgebungen ermöglichen es auf relativ unkomplizierte Art und Weise den Lernenden Feedback zu Online-Arbeitsaufträgen zu geben. Mittels Kommentarfunktionen bei Aufgabenuploads, Forenbeiträgen und Glossaren schafft man nämlich durch rasches Feedback eine Art diskursive Proximität im digitalen Raum. Das heißt, der Lernende hat den Eindruck, dass man als Lehrperson zugegen ist.

Multimodale Performanz in Unterrichtsplanung berücksichtigen

Lehrende sollten versuchen mit unterschiedlichen Medien und digitalen Artefakten zu arbeiten bzw. Feedback zu geben. Statt eines Textes im Forum, kann man daher durchaus auch eine Videobotschaft oder einen Podcast mit Arbeitsaufträgen, Feedbacks, etc. produzieren. Denn ein Video mit der Lehrperson als Protagonistin schafft erneute diskursive Proximität zu den Lernenden.

Online-Sozialisation als Methode

Basierend auf Gilly Salmons 5-Stufen-Modell  (Salmon, 2013) gibt man Lernenden immer genug Raum und Zeit sich besser kennenzulernen, Fragen zu stellen, Zweifel zu formulieren und den Unterricht kontinuierlich zu feedbacken. Das schafft nämlich Vertrauen und hilft ein Stück weit, sich nicht nur auf Tools und Technik zu konzentrieren. Ein Must-have in der Unterrichtsplanung!

Instruction is Queen

In Online-Umgebungen muss man Arbeitsaufträge und Instruktionen viel klarer und schrittweiser formulieren als im Präsenzunterricht. Klare Arbeitsaufträge, gut formulierte Erwartungshaltungen zur Notengebung, klare Deadlines und relativ zügige und pointierte Antworten auf Lernendenfragen sollten deswegen in der Unterrichtsplanung Platz finden. Dadurch definiert man klare Kommunikationsstrukturen, vermeidet Frust und schafft Vertrauen.

Navigationale Kohärenz in der Unterrichtsplanung

Dies bedeutet in der Wissenschaft, dass die Lernumgebung klare Strukturen hat, Symbole und Bilder verwendet, die eindeutig einen bestimmten Arbeitsauftrag oder ein Themenfeld illustrieren. Bei Lernplattformen ist es deswegen wichtig, dass sich die Lernenden  zurechtfinden, ohne stundenlang die gewünschten Lernmaterialien zu suchen. Bei Themenfeldern oder Abschnitten sollte man also den „Scroll-of-Death“ (das ewiglange Herunterscrollen bei Lernplattformen) vermeiden. Denn dies kann frusten und mindert dann die interaktionale Partizipation der Lernenden.

Soziabilität unbedingt berücksichtigen

Soziabilität in digitalen Räumen ist also ein sehr diffiziles Thema, das natürlich viele Facetten bei der Unterrichtsplanung umfasst. Jedoch ist vor allem bei diesem Thema im Kontext des Distance Learnings die gemeinsame Interaktion, Partizipation und Kollaboration der ProtagonistInnen der Online-Umgebung (Lehrende und Lernende), um Beziehungen aufzubauen, enorm wichtig. Dies unterscheidet sich nämlich kaum vom „analogen Leben“. Klare Strukturen, präzise formulierte Arbeitsaufträge und Erwartungshaltungen werden letztendlich auch Eltern goutieren, weil ihnen womöglich Diskussionen mit den Kindern, was denn nun zu machen sei, erspart bleiben. Ein weiterer Tipp für die Eltern wäre darüber hinaus nicht nur zu fragen, welche Hausübungen und Arbeitsaufträge noch zu machen sind, sondern sich auch nach der kommunikativen Performance ihrer Kids und deren LehrerInnen zu erkundigen. Denn dann ist trotz Distance Learning garantiert:„Is there anybody out there? Yes, there is.“

Der Artikel entstand in Kooperation mit Thomas Strasser. Er ist Hochschulprofessor für technologieunterstütztes Lehren und Lernen & Fremdsprachendidaktik an der Pädagogischen Hochschule Wien.
thomas.strasser@phwien.ac.at
@thomas.strasser
www.bildungshipster.online

Literatur für Unterrichtsplanung bei Distance Learning

  • Kirschner, P. A. (2017). Stop propagating the learning styles myth. Computers & Education, 106, 166–171. https://doi.org/10.1016/j.compedu.2016.12.006
  • Salmon, G. (2013). E-tivities: The key to active online learning (Second edition). Routledge, Taylor & Francis Group. Schober, B., Lüftenegger, M., &
  • Spiel, C. (2020). Lernen unter COVID-19-Bedingungen: Erste Ergebnisse—Studierende [Studienbericht: Erste Ergebnisse]. Universität Wien. https://lernencovid19.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_lernencovid19/Zwischenergebnisse_Studierende.pdf